Im Limmattal getroffen

Folgende Porträts sind im
Limmattaler Tagblatt erschienen:
Franz Hohler

Mit Franz Hohler auf abenteuerlichen Wanderungen

Urdorf Kulturkommission und Bibliothek laden zur Lesung mit Franz Hohler ein

Die Lesung bringt unerwarteten Erfolg: Im Singsaal des Moosmattschulhauses bleibt kein Platz mehr frei. Franz Hohler hat offensichtlich im Limmattal eine grosse Fangemeinde.

Helen Busslinger-Simmen
Sie kennen ihn alle, die rund 150 Gäste des Abends, oder sie meinen, ihn zu kennen. Sie sind Hohler als Kabarettist begegnet oder als Schriftsteller, sie hören seine Chansons von einem Tonträger oder sahen ihn als Kind in der Fernsehsendung „Franz und René“. Ganz bestimmt aber kennen sie das „Totenmügerli“, Franz Hohlers berndeutsch geschriebene Geschichte. Das Totenmügerli gehört sozusagen zur Grundausrüstung hier im Land, etwa wie Mani Matters Lieder oder die Geschichte von Wilhelm Tell.

In keiner Schublade Platz

Bibliotheksleiterin Ruth Theocharides hat nach ihrer eigenen Aussage Mühe, das Wirken des vielseitigen Schriftstellers in wenigen Worten zu würdigen. Kein Wunder – Hohler passt in kein Schema. Er ist Schriftsteller, Kabarettist, Chansonnier, Lyriker, Kinderbuchautor und Schauspieler, um nur einige seiner Berufstätigkeiten zu nennen. Dies veranlasst Theocharides, eine Aussage des Schriftstellers Urs Widmer zu zitieren: „Er kann alles.“

Zu Beginn und zwischen den Lesungen spielt die Urdorferin Lona Lehmann Panflöte, und zwar auf persönliche Art: Sie improvisiert zu den Lesungen, trifft die Stimmung genau und zeigt, dass sie einen ganz speziellen Flötenton entwickelt hat.

Altwerden einüben

An diesem Abend überrascht der Schriftsteller mit den vielen Berufen aufs Neue. Er liest aus dem neuen Buch „52 Wanderungen“ (Luchterland), das während einer Auszeit entstand. „Ich hatte im Sinn, mich als Sechzigjähriger aufs Alter einzustimmen“, sagt Hohler, „ich wollte eigentlich Altwerden einüben.“ Deshalb habe er begonnen, wöchentliche Wanderungen zu machen.

Nachdem Hohler seine Eindrücke notiert hatte, liessen sie sich zu einem Buch zusammenfügen; davon gibt er an der Lesung eine Probe. Er schildert, wie er ein Getränk und Dörrobst einpackt, nach Sihlbrugg fährt und losmarschiert: Hohler liest vor, was er dabei erlebt, das dumpfe Donnern der Lastzüge, das Singen der Vögel, dazwischen Nachdenken über das Land und die Welt. Alltäglichkeiten, bei denen dank Hohlers Sinn für Ironie immer etwas Verschmitztes aufblitzt, und immer fliesst gut versteckt politische Kritik mit ein.

Auf die Frage nach der Lesung, ob er nun das Altwerden gelernt habe, sagt er: „Ich habe mir Zeit gegeben. Das ist etwas Banales. Aber jede Woche eine Wanderung machen und jede Woche jemanden treffen, das ist eine Perspektive.“

Philsosphisches und Skurriles

Die Gäste des Abends stellen fest, dass Hohler im neuen Buch das beschreibt, was er bei den Wanderungen sieht: Lapidar, hartnäckig, auch aufsässig, wenn es sein muss. Oft erwähnt er endlose Autokolonnen, donnernde Flugjets und dampfende Atomkraftwerke, die ihn als Alternativer und Atomkraftgegner eigentlich ärgern müssen.

Doch stärker als jede Rebellion ist seine Lebenslust und die Freude an der Natur, er sieht jeden seltsam geformten Stein, jeden Schmetterling, hört mit ausserordentlichem Vergnügen jeden Vogellaut und beschreibt die sanften Linien der Hügel.

Phantastische Welt

Zum Schluss liest Hohler aus dem Buch „Die Torte“, welches aberwitzige und abgründige Geschichten enthält. In der Erzählung „Die Überraschung“ verschwindet der Alltag mit seinen langweiligen Details und macht einer Welt Platz, in der alles möglich ist. Ein kabarettistisches Meisterstück gelingt Hohler, als er am Schluss erzählt, wie er den Weg zu einer Lesung in Bern von Zürich aus zu Fuss zurückgelegt hat. Er spickt die Schilderung seiner Fusswanderung mit skurrilen Erlebnissen, Naturbeobachtungen und Begegnungen mit Sonderlingen. So Eindrücklich schildert er, wie hier in der Nähe am Limmatufer ein Reiher auf einem Stein steht, gegenüber der Autobahn, bewegungslos, in vollkommener Gelassenheit.