Im Limmattal getroffen

Folgende Porträts sind im
Limmattaler Tagblatt erschienen:
Rolf Dobelli

Vom Lebensgefühl eines Vierzigjährigen

Oberengstringen “Lesen am Tresen“ mit Rolf Dobelli

Dobelli, der auch als Manager im In- und Ausland wirkt, schreibt stets von eigenen Erfahrungen: Im neuen Buch „Himmelreich“ genau so wie in seinen beiden ersten Büchern „Fünfunddreissig“ und „Und was machen Sie beruflich?“, erschienen im Diogenes Verlag.

Helen Busslinger-Simmen
Er ist einer, der mit seiner Zeit und der Zeit der anderen sorgfältig umgeht: Dobelli hielt seine Zuhörer nicht mit langen Einleitungen und Begründungen auf. Er begann gleich zu lesen, - kurz und treffsicher. Und da sein neues Buch mit einem Seitensprung beginnt und solche Abenteuer immer Interesse wecken, war Dobelli die Aufmerksamkeit der Zuhörenden sicher. So sympathisch wie sein Auftreten war das Timing: Nach zwanzig Leseminuten war Pause, nach einer kurzen Schlusslesung gabs Gelegenheit zum Fragen und Diskutieren.

Momentaufnahmen aus der Business Class

Lesefreunde wissen, dass niemand die Welt der Manager so authentisch beschreiben kann wie Dobelli. Seine Sprache lässt an Geschäftsberichte und Manager-Handwerk denken; tatsächlich war er mehrere Jahre Finanzchef und CEO verschiedener Tochterfirmen des Swissair-Konzerns und lebte in Australien, Hongkong, England und in den USA. Am seinem 35. Geburtstag wechselte er von der Businesswelt ins Reich der Literatur und begann, Belletristik zu schreiben. Seither schreibt er wie besessen. „Zwei Bücher sind schon wieder druckreif“, sagte mit breitem Lächeln.

Als Dobelli einen Flug von Zürich nach New York in der Business Class beschrieb, mit sarkastischen Spitzen, war klar, dass er genau weiss, wovon er berichtet. Mal ironisch und mal melancholisch schilderte er an der Lesung das Lebensgefühl jenes Erfolgreichen, der an seinem Erfolg zweifelt.

Spiel mit Realität und Fiktion

Es wurde spürbar, wie Dobelli es genoss, ohne Vorwarnung in Traumwelten abzuheben. Auch mit den kürzesten Sätzen konnte er viel sagen und verstand es, seine Gäste in die Irre zu führen, zu verunsichern. In seinem neuen Buch spielt er ein spannendes Spiel mit hundert Möglichkeiten. Bei der Schilderung einer Entführung im Flugzeug wusste man bald nicht mehr, was Wahrheit und was Fiktion war.

Am Anfang der Lesung schien er sich über die Welt der Gefühle lustig zu machen. Zunehmend wagt es der Titelheld „Himmelreich“, zu seinen eigenen Gefühlen vorzustossen, sie ernst zu nehmen, zu ihnen zu stehen. Offensichtlich ist Dobelli von der Welt der Gefühle und der Träume angezogen und bringt sie zur Sprache. Zum Vergnügen jener, welche das Wechselspiel von Wahrheit und Fiktion lieben.

Bodenständig und erfolgreich

Dobellis bodenständige und unkomplizierte Art ermöglichte eine lebhafte Diskussion. Ungeniert fragten Zuhörende nach dem Wahrheitsgehalt der Bücher, nach der Motivation zum Schreiben, nach neuen Projekten. Dass Dobelli neben dem Schreibhandwerk noch ein zweites Standbein hat, war erst nachher im Gespräch zu erfahren: 1998 gelang ihm der grosse Coup: Er gründete seine eigene Firma „getAbstract“, den weltweit grössten Anbieter von Buchzusammenfassungen.

„Schon als Bub fand ich kaum Zeit, ein Buch zu lesen, trotzdem hatte ich aber Lust zum Lesen“, berichtete Dobelli. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, erfand er die inzwischen berühmten Buchzusammenfassungen. Die Hauptwerke der Weltliteratur sind auf je acht Seiten zusammengefasst, - man kennt sie als Beilage bei der „NZZ am Sonntag“. Auch die weltweit grösste Online-Bibliothek von Wirtschaftsbuch-Zusammenfassungen gehören zu Dobellis Erfindungen.