Uri von aussen gesehen

Folgende Porträts sind in der
Neuen Urner Zeitung erschienen:

Max Dohner

«Der Kanton Uri ist immer für Überraschungen gut»

Der 58-jährige Autor und Journalist Max Dohner kennt Uri aufgrund seiner Tätigkeit als Journalist - und ist nicht mehr verblüfft.

Helen Busslinger-Simmen

Wie gut kennen Sie Uri respektive Land und Leute?

Max Dohner: Ich kenne den Kanton so weit, als dass ich mir kein Urteil mehr anmasse, jedenfalls kein pauschales. Mit zunehmender Nähe (und Empathie) wächst ja auch die Scheu vor billigen Urteilen. Ich hatte verschiedentlich in Uri als Zeitungsmann zu tun. Was als Erfahrung dabei über die Jahre hinweg gleich geblieben ist: die schöne Regelmässigkeit des Erstaunens - über den Kanton, die Orte, die Menschen. Sie haben immer das Zeug, um zu überraschen. Was mich nicht mehr überrascht, ist das kulturelle Leben in Uri.

Wie meinen Sie das?

Dohner: Mich überraschen zum Beispiel die aussergewöhnlichen und auch guten Festivals und Veranstaltungen im Grunde nicht mehr, seit ich weiss, dass Uri immer für Überraschungen gut ist. Es freut und beruhigt mich. Mich wundert indes, wieso sich darüber immer noch so viele Leute wundern - ausserhalb Uris. Vielleicht müsste etwas mehr unternommen werden, um auf diese kulturellen «Überraschungen» hinzuweisen?

Und was verbinden Sie mit Uri?

Dohner: Paradoxerweise ist es vor allem der See. Man nimmt Berge ja immer für das Schroffe und den See für das Liebliche. In Uri erschien mir auch das anders. Mein erster Besuch an den damals neuen Reuss-Atollen war jedenfalls so vielstimmig gewesen, wie man es sich als «Seebub» nur wünschen kann. Berge haben einen Zug ins Kolossale, Seen sind Spiegel für das Universale. Beneidenswertes Uri: Hier gibts beides.

Sie arbeiten im Kanton Aargau und wohnen in Aarau. Was hört man in Ihrem Umfeld über Uri?

Dohner: Meist eine Mischung von Klischees mit ein paar persönlichen Anekdoten, immer unterfüttert mit erstaunlich sesshafter Sympathie. Und wenn mal jemand glaubt, sich herablassend über Uri äussern zu müssen, halte ich das längst für ein Zeichen von Unwissenheit, wenn nicht gar für Borniertheit.

Ihre Kolumnen erfreuen sich grosser Beliebtheit; sie sind unzimperlich und assoziativ - genau wie der Urner Dialekt?

Dohner: Dass Wesenszüge meines journalistischen Schreibens einem Dialekt gleichen könnten, habe ich mir noch nie überlegt. Geradezu unpassend scheint mir der Vergleich nicht - einmal mehr überraschend. Zum leider rasch schwindenden Reichtum der Dialekte muss ich hier kein Wasser in die Reuss tragen. Als Schriftsteller durchtränke ich mich freilich mit dem Hochdeutschen - und danke jeden Tag für diese Zumutung, die Qual, für das Glück und Vergnügen, all die kleinen unverhofften Wunder.

Würden Sie für eine Lesung aus Ihren Büchern nach Altdorf fahren?

Dohner: Jederzeit. Und auch ohne Bücher.

Sie haben auch Erfahrungen als Sprachlehrer und Dolmetscher in Nicaragua gemacht. Inwiefern waren diese für Ihre Arbeit prägend?

Dohner: Das wäre ein abendfüllendes Thema, zumal ich während revolutionärer Wirren und in der Phase des letzten Stellvertreter-Krieges im Kalten Krieg dort lebte. Darüber habe ich viel geschrieben. Lassen Sie es mich auf folgenden Nenner bringen: Man müsste jeden jungen Menschen in der Schweiz dazu bewegen, vielleicht gar nötigen, auf sich allein gestellt für relativ lange Zeit in ein wirklich fremdes Land zu gehen. Die Erfahrungen sind unschätzbar und hierzulande schlicht nicht zu machen.