Uri von aussen gesehen

Folgende Porträts sind in der
Neuen Urner Zeitung erschienen:

Jörg Meier

«Eine Lokalzeitung ist immer angreifbar»

Der Wohler Autor Jörg Meier sagt, warum Alltagsgeschichten wichtig sind und warum sich der Kanton Uri glücklich schätzen kann.

Helen Busslinger-Simmen

Was hören Sie über den Kanton Uri?

Jörg Meier: Erst kürzlich hat eine Kollegin von der kulturellen Vielfalt des Kantons geschwärmt, dass Uri mehr zu bieten habe als die Tellspiele in Altdorf, viel mehr.

Wie beurteilen Sie die Urner Lokalzeitungen?

Meier: Glücklich ist ein Kanton, der gleich über zwei Zeitungen verfügt. Dass sie unterschiedlich daherkommen, macht die Sache noch spannender.

Zeitunglesen hat ja in Uri eine lange Tradition.

Meier: Lokalzeitungen sind unverzichtbar für Dörfer, Täler und Regionen. Je vernetzter wir sind, je mehr Informationen aus der ganzen Welt wir zur Verfügung haben, desto stärker wird unser Bedürfnis nach lokalen Geschichten. Die Lokalzeitung liefert die Geschichten, sie informiert, erklärt und moderiert das Geschehen in der kleinen Welt. Sie regt Diskussionen an und trägt dazu bei, dass die Demokratie im Mikrokosmos überhaupt funktioniert.

Was sagen Sie zur Tatsache, dass Lokalzeitungen auch genussvoll kritisiert werden?

Meier: Eine Lokalzeitung ist immer angreifbar, weil ja jeder Leser kompetent ist. Entsprechend hagelt es Kritik. Das ist gut so. Das zeigt, dass die Zeitung beachtet und ernst genommen wird. Wertvoll ist eine Lokalzeitung auch deshalb, weil sie dem Dorf Gesprächsstoff liefert: Alle haben «es» in der Zeitung gelesen, so kommt man miteinander ins Gespräch.

Welche Erlebnisse verbinden Sie mit dem Kanton Uri?

Meier: Als Kind hielt ich Uri für ziemlich bedeutend. Denn in der historischen Reihenfolge der Kantone kam er an erster Stelle, Wilhelm Tell war ein Urner - und wenn wir jeweils auf der Axenstrasse Richtung Süden fuhren, sagte mein Vater jedes Mal feierlich: «Jetzt sind wir im Kanton Uri.» Ich sah den Uristier an der Felswand und wusste, dass er Recht hatte. Viele Jahre später verbrachte ich mit meinen drei Jass-Kumpanen unvergessliche Wander-Jass-Weekends im Maderanertal, auf den Eggbergen, dem Oberaxen und auf Gitschenen. Auf Gitschenen gefiel es mir so gut, dass ich mit unserer Familie immer wieder zum Berggasthaus hochfuhr; in der Bergkapelle haben wir Samuel, unseren jüngsten Sohn, getauft.

In Uri machen in den Beizen Geschichten die Runde. Was bedeutet das?

Meier: Ich bin überzeugt, wir brauchen unsere tägliche Ration an Alltagsgeschichten aus dem Dorf. Sie schaffen und verstärken die Identität. Sie sind wichtig, auch wenn sie nicht bedeutend sind. Wo meine Geschichten sind, da bin ich zu Hause. Wenn man weiss, wer man ist, weil man weiss, woher man kommt und weil man die Geschichten seines Dorfes, seiner Umgebung kennt, dann ist man daheim. Wer so verwurzelt ist, ist selbst-bewusst - im wahrsten Sinne des Wortes - und offen für Neues. Und er braucht keine Angst vor dem Fremden und den Fremden zu haben.

Sie verfassen Theaterstücke und sind in der Ausbildung von Journalisten tätig. Woher kommt Ihre Leidenschaft für die Sprache?

Meier: Da ich nicht viel anderes kann als lesen, schreiben und reden, wurde ich Lehrer, Journalist und Stückeschreiber.

Hinweis

Jörg Meier ist Autor bei der «Aargauer Zeitung». Täglich erzählt er in der Kolumne «Meiereien» eine Geschichte aus dem wirklichen Leben. Daneben schreibt er Theaterstücke und Kinderbücher. Meier ist Vater von fünf Kindern und wohnt in Wohlen.