Uri von aussen gesehen

Folgende Porträts sind in der
Neuen Urner Zeitung erschienen:

Gottfried Locher

«Kirche muss verständliche Sprache finden»

Die Evangelisch-reformierte Landeskirche Uri will sich umstrukturieren. Der Präsident des Evangelischen Kirchenbundes sieht es als Chance, Neues zu wagen.

Helen Busslinger-Simmen

Gottfried Locher, wie beurteilen Sie die Notwendigkeit neuer Organisationsformen für die Evangelisch-reformierte Landeskirche Uri?

Gottfried Locher: Wie in Uri stellt sich die Evangelisch-reformierte Landeskirche überall neuen Aufgaben. Denn schweizweit entfernen sich immer mehr Menschen von den Landeskirchen, was zu einer angespannten finanziellen Situation führen kann.

Wird das Geld knapp?

Locher: Es ist so: Die Kirche wird kleiner, das hat schmerzhafte finanzielle Konsequenzen. Vor allem aber ist es auch eine grosse Chance: Jetzt ist es Zeit, Neues zu wagen. Wir fragen: Was ist wirklich unser Auftrag? Was sollen wir tun mit unseren Ressourcen? Alle Landeskirchen und der ganze Kirchenbund sind im Umbruch. Die Kirche muss eine Sprache finden, die man heute versteht. Dazu gehört ein gemeinsames Profil über die Kantonsgrenzen hinaus.

Wie wirkt sich die zunehmende Mobilität auf die Bindung zu einer Landeskirche aus?

Locher: Auch im Kanton Uri gibt es immer mehr Leute, die nicht da leben, wo sie arbeiten. Doch die reformierte Kirche ist vor allem Gemeindekirche. Das reicht heute nicht mehr. Die Kirche lebt grossräumiger. Immer wichtiger wird die Einheit über Kantonsgrenzen hinaus. Dafür gibt es den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund. Gemeinsam erreichen wir Menschen, die vielleicht im einen Dorf wohnen, in einer anderen Stadt arbeiten, im Nachbarkanton ihre Freizeit verbringen und im Tessin Ferien machen.

Emotionale Momente wie Hochzeit, Taufe und Todesfall bewegen manche, sich der Kirche zuzuwenden.

Locher: Es geht hier um Lebenshilfe, nicht um Marketing. Unsere Kirche will Menschen begleiten, wenn es besonders wichtig ist. Wir nehmen diese Aufgabe sehr ernst. Taufen heisst, Menschen in die Kirche aufnehmen. Die Trauung ist ein Meilenstein der Liebe. Und die Beerdigung hilft beim Abschied.

Die katholische Kirche hat es etwas leichter, weil Zugewanderte oft katholisch sind.

Locher: Unsere reformierte Kirche ist auch katholisch. Denn katholisch heisst «das Ganze betreffend», also die ganze Welt. Reformierte Kirchen gibt es rund um den Globus. Sie sind evangelisch. Das bedeutet, dass das Evangelium im Mittelpunkt steht. Es geht um Christus das muss klar erkennbar sein bei allem, was die Kirche tut. Wichtig ist, dass nicht überall das Rad ständig neu erfunden wird. Man muss sich in einem Gottesdienst zu Hause fühlen können.

Müssten die Kirchen ihre sozialen Leistungen mehr hervorheben?

Locher: Mir ist es lieber, wenn die Kirche weniger spricht und mehr tut, weniger von sich und mehr für Andere. Ohne Kirche wäre unser Land ärmer, ärmer an Seelsorge, Hilfswerken, Besuchsdiensten, Gesprächskreisen, Migrantenbetreuung, Eheberatungsstellen, Suchthilfeangeboten und so weiter. Aber auch geistliche Angebote sind sozial wirksam: Gottesdienste, Gebetskreise, Meditationswochen. Die Kirche ist Gold wert für Leib und Seele.