Uri von aussen gesehen

Folgende Porträts sind in der
Neuen Urner Zeitung erschienen:

Art Furrer

Art Furrer: «Zweifel sind berechtigt»

Der berühmte Skilehrer Art Furrer (74) steht dem Sawiris-Projekt kritisch gegenüber. Er warnt die Urner, nicht die gleichen Fehler wie die Walliser zu machen.

Helen Busslinger-Simmen

Wie haben Sie als Bergführer und Gebirgsoffizier die Urner erlebt?

Art Furrer: Die Urner sind einerseits selbstbewusst und heimattreu, vielleicht etwas knorrig. Doch andererseits pflegen sie grosse Offenheit gegenüber dem Fortschritt. Ich habe mich bei den Urnern immer sehr wohl gefühlt. Unter dem Volk fallen die bärtigen, zähen Männer und die tüchtigen Frauen aus dem Maderaner- und dem Schächental auf. Man kennt überall Russi, Tresch, Risi, welche die Welt beschnuppert und besiegt haben. Dazu der «Katastrophen-Franz» (Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist Franz Steinegger), das politische Urgestein, eine Mischung seltenster Sorte.

Was macht Ihnen besonders Eindruck?

Furrer: Die geografische Konstellation! Im Osten das Bündner Oberland, im Westen das Rhonetal, im Süden die Leventina und im Norden, einem Stachel gleich, das Reusstal. Steht man auf dem Gemsstock und blickt gegen Norden, zeichnet sich ein riesiges Kreuz aus schroffen Tälern ab. Das Haupt zeigt in Richtung Rom. Vor sich das einzigartig schöne Urserntal. Ein perfekteres Kreuz, aus Schöpfers Hand gemeisselt, habe ich sonst nirgends auf der Welt wieder gesehen. Zudem hat man unter den Füssen in Uri Tunnelröhren, die längsten der Welt. Zum Nutzen jener, die vom Norden oder Süden kommend quasi gratis durch das Paradies flitzen.

Wie denken Sie über das Sawiris-Projekt in Andermatt?

Furrer: Der Gotthard, als Inbegriff militärischer Standhaftigkeit, verlor an Bedeutung, und die Armee zog ab. Für Andermatt und sein Tal ein harter Verlust. Dann kam, als Retter in der Not, die Charme-Offensive eines eher flüchtigen Wüstensohns und versprach den Urnern den Himmel auf Erden. Dem Ausverkauf der Heimat durch das Aushebeln der Lex Koller Tür und Tor geöffnet, verkaufen die Urschner dem Teufel die Seele. Ob das nun gut kommt? Zu gönnen wär es den Urnern.

Warum gehen Sie mit dem erwünschten Aufschwung so streng ins Gericht?

Furrer: Tradition und Gigantismus prallen so hart aufeinander, dass Zweifel berechtigt sind. Der Ausgang ist ungewiss. Die Kosten-Nutzen-Rechnung fragwürdig. Auch das Wallis ist diesbezüglich kein Musterknabe. Speziell im Mittel- und Unterwallis wird seit Jahrzehnten gesündigt.

Wie wurde denn der Tourismus im Wallis vorangetrieben?

Furrer: Es wurde zu Gunsten der Immobilienhändler gebaut und verkauft. Dann sind die Verantwortlichen und die Touristen verschwunden. Geblieben sind die vielen kalten Betten. Immer wieder – auch im Wallis – tauchen Hirngespinste ausländischer Investoren auf, die in der Schweiz einen sicheren Hafen suchen. Erfolglos. Zum Glück. Die Vernunft der Bürger, reifer geworden, steht für einen sanfteren und nachhaltigeren Tourismus ohne fremde Vögte.

Was wünschen Sie den Urnern?

Furrer: «Herrgott sei uns gnädig und halte uns von allen Übeln frei», betete der Pfarrer von Andermatt kürzlich in einer Dok-Sendung des Schweizer Fernsehens. Gemeint hat er damit sicher auch das Milliarden-Luftschloss-Projekt, das jeden Optimisten zum Zweifeln bringt. Dachte er an die bedrohte Seele der Talschaft? Dachte er dabei an die Geschichte der Teufelsbrücke? Wird eine Ziegenbockseele unsere Ehre retten?