Limmattalk

Folgende Porträts sind im
Limmattaler Tagblatt erschienen:
Peter Wiederkehr

Alles andere als stromlinienförmig

Dietikon Limmattalk mit alt Regierungsrat Peter Wiederkehr

Im gut besetzten Stadtkeller überrascht alt Regierungsrat Peter Wiederkehr mit Pointen – seine Statements sind präzis. Chefredaktor Daniel Winter leitet das Gespräch und entlockt seinem gewieften Gegenüber persönliche Ansichten und Einsichten.

Helen Busslinger-Simmen
Er ist nicht redselig, er ist kein Phrasendrescher. Dass Wiederkehr, der als Direktionspräsident der Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK) mit Strom zu tun hatte, kein stromlinienförmiger Stratege ist, erlebt man nun im Stadtkeller live. Daniel Winter stellt angriffige Fragen, es ergibt sich ein spannendes Pingpong-Spiel, an dem sich, wie es der heiteren Stimmung zu entnehmen ist, alle ihre Freude haben.

Etwas bewegen

Als promovierter Jurist sei er mehr oder weniger in die Politik reingerutscht, gibt Wiederkehr bekannt. Früher sei es üblich gewesen, dass ein CVP-Parteipräsident auch Kantonsrat war, und so ging es Stufe um Stufe weiter. Gemeinderat und Gemeinderatspräsident, Kantonsrat, es folgten achtzehn Jahre Regierungsrat mit den üblichen Präsidialjahren. Auf die Frage, ob ihm sein Regierungsratmandat entsprochen habe, nimmt Wiederkehr kein Blatt vor den Mund: „Das Gesundheitsdepartement, das ich leitete, ist ein grosser Laden. Ich war Manager, musste Strategien entwickeln, das war meine Welt. Praktisch jede Stunde war ich mit neuen Problemen konfrontiert.“

Mit der ihm eigenen Lust am Understatement sagt Wiederkehr zu seiner Regierungstätigkeit: „Es war nicht langweilig.“ Auch auf die Frage nach dem Motiv seiner Arbeit war die Antwort prägnant: „Ich wollte etwas bewegen.“ Auf aktuelle Probleme der Gesundheitspolitik angesprochen, zeigte sich Wiederkehr als Fachmann. Die Kostenexplosion sei seit langer Zeit ein Thema. Sparmassnahmen zu treffen, sei unbeliebt, obwohl es eigentlich auf der Hand läge, nicht mehr auszugeben, als man einnimmt.

Zürcher Universität und Spitzenmedizin

Zu seiner Meinung nach den jetzigen Diskussionen rund um die Spitzenmedizin und das Universitätsspital Zürich befragt, bekennt Wiederkehr, dass zu seiner Amtszeit vieles anders und besser gewesen sei: „’Zürich macht alles’, das war damals die Devise. Nicht zuletzt wegen Zürichs riesigem Einzugsgebiet waren sich die Verantwortlichen damals einig, dass das Zürcher Uni-Spital ein Zentrum sein muss. So wie die andern Zentren Genf-Lausanne und Bern-Basel, die sich zusammengetan haben.“ Wiederkehr konnte erleben, dass eigentliche Schulen entstanden, wo die medizinischen Forschritte vorangetrieben wurden.

Das Problem „Zwei-Klassen-Medizin“ sei alt, gibt Wiederkehr bekannt und betont:„Was die ärztliche Versorgung betrifft, gibt es keine Einschränkungen, alle Kranken haben die gleichen Rechte. Alles andere ist ethisch nicht verantwortbar.“ Nur rund um den täglichen Komfort, etwa der Zimmergrösse im Spital, gehe die Schere auseinander.

Daniel Winter fragte Wiederkehr nach seiner Meinung zur Medienpräsenz von Politikern, die heute aus dem Ruder zu laufen scheint. Wiederkehr: „Politiker müssen normalerweise keine grossen Anstrengungen machen, in die Medien zu kommen. Da es ständig Konfliktstoff gibt, sind Zeitungsberichte über amtierende Politiker und ihr Wirken an der Tagesordnung.“ Ansonsten plädiert Wiederkehr für Zurückhaltung: „Wenn man wegen Wahlen Medienpräsenz haben will, bringt es nicht viel, es ist durchschaubar.“

Strom und Endlagerung

Als er die Leitung der NOK übernahm und CEO der Axpo Holding wurde, habe er die Probleme rund um die Stromversorgung schon gekannt, weil er als Regierungsrat im Verwaltungsrat der NOK war, so Wiederkehr. Auf Fragen rund um Liberalisierung und Privatisierung sagt er: „Strom ist für uns selbstverständlich. Weil die Ausgaben für Strom eines Haushaltes gering sind, stösst das Thema auf wenig Interesse. Natürlich bin ich für die Liberalisierung des Strommarktes; die Stromnetze hingegen müssen durch die Öffentlichkeit kontrolliert werden“.

Ein Thema an diesem Abend waren Atomkraftwerke, worauf Wiederkehr festhielt: „Atomkraft ist heute unumgänglich. In der Schweiz garantiert Atomkraft 70 Prozent des Stroms.“ Zur Endlagerung angesprochen, gab Wiederkehr zu, dass das Thema heikel ist. Seiner Meinung nach muss man in der Schweiz für schwach radioaktive Abfälle eine eigene Lösung finden. Für stark radioaktive Abfälle kann er sich eine Zusammenarbeit mit andern Ländern, etwa mit Frankreich, vorstellen. „Die Abfälle sind da, man muss in der nahen Zukunft das Problem angehen.“

Wach und weltgewandt

Daniel Winter fragt zum Schluss nach Wiederkehrs persönlicher Beziehung zur Stadt Dietikon. „Hier habe ich meine Wurzeln. Was mich nicht hindert, jetzt im Ruhestand die Welt zu entdecken. Ich möchte alle Länder bereisen, die zurzeit zugänglich sind.“ Deshalb wagt er sich nach Äthiopien, nach Libyen und scheut sich nicht, um die touristischen Trampelpfade einen Bogen zu machen auf einfach Weise zu reisen. Nicht stromlinienförmig.